Thursday, January 12, 2006

AM - Swiss SonntagsBlick newspaper claims proof of secret US torture camps

TONY EASTLEY: A newspaper in Switzerland has published what it believes is the first concrete proof that the US is operating secret interrogation camps for terrorist suspects in Eastern Europe.

The SonntagsBlick newspaper obtained a fax sent by the Egyptian Government to its embassy in London, which apparently reveals that Egypt is aware of Iraqis and Afghans being questioned at a camp in Romania.

Kerri Ritchie in our London office spoke with the paper's editor, Christoph Grenacher, who explained what was in the fax.

CHRISTOPH GRENACHER: This fax from the State Department declares that they have a (inaudible) source telling about the fact that 23 prisoners held in Iraq and Afghanistan have been deported to a Romanian military base.

KERRI RITCHIE: So it proves that, in your opinion, that Egypt knows that there is a secret prison in Romania?

CHRISTOPH GRENACHER: It looks so, yes.

KERRI RITCHIE: How did you get hold of the document?

CHRISTOPH GRENACHER: I hope you can understand that I can't tell you exactly what the source is, and how the paper came to it.

KERRI RITCHIE: Was it received anonymously, though?

CHRISTOPH GRENACHER: No comment. Maybe the source is in the secret service. We don't know. But what I know is after I had a lot of talks last week, last Friday, with higher Swiss authorities, what I know is that the document is authentic and is okay. So there was no doubt for us to publish it.

KERRI RITCHIE: So you're in no doubt that it's completely genuine?

CHRISTOPH GRENACHER: Yes.

KERRI RITCHIE: The Swiss Government isn't happy that you've published this fax.

CHRISTOPH GRENACHER: No.

KERRI RITCHIE: What are they actually going to do about it? What do you know that… what action are they about to take?

CHRISTOPH GRENACHER: Well, they started an investigation against us, and the fact why we published the paper, which was classified secret by our secret service… the fact why we published the paper was because we puts the human rights on a higher interest level than the interests of our own secret service.

TONY EASTLEY: Christoph Grenacher, editor of the Swiss SonntagsBlick newspaper, speaking there with Kerri Ritchie in London.
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Aktuell

CIA-Skandal
US-Folter-Camps:
Der Beweis!

SANDRO BROTZ UND BEAT JOST
11.01.2006 | 12:37:16

Es ist der erste Beweis: Die Amerikaner betreiben in Europa geheime Foltergefängnisse. Das geht aus einem Fax zwischen dem ägyptischen Aussenminister und seiner Botschaft in London hervor. Die Nachricht wurde vom Schweizer Geheimdienst abgefangen – und liegt SonntagsBlick vor.


US-Foltercamp Guantanamo: Neuer "Weltstandard" in Sachen Menschenrechte?

Reuters

Die Abhöraktion
Wie Schweizer Agenten den ägyptischen Fax aus dem Äther fischten

Mitten in der Nacht fällt der erste Funken Licht auf eine finstere Geschichte. Es ist der 15. November 2005, kurz vor halb zwei. Die Abhörzentrale des Schweizer Verteidigungsministeriums (VBS) in Zimmerwald, ein paar Kilometer südlich von Bern, schnüffelt wie gewohnt und streng nach Vorschrift. Das Satellitenlauschsystem Onyx ist auch in dieser Nacht voll aufgeschaltet. Der Geheimdienstoperateur mit dem Kürzel wbm schreibt am «Report COMINT SAT» mit der Auftragsnummer S160018TER00000115.

Weiss wbm, was für eine explosive Meldung er in dieser Nacht für seine Chefs von der Führungsunterstützungsbasis (FUB) der Armee ins Französische überträgt (siehe nebenstehendes Faksimile)?

Im Weltraum abgefangen, heimlich von einem Satelliten zur Erde gesandt wurde die Meldung fünf Tage vorher: am 10. November um 20.24 Uhr. Es ist ein Fax, der zwischen dem ägyptischen Aussenminister Ahmed Aboul Gheit (63) in Kairo und seinem Botschafter in London ausgetauscht wird. Der Titel, den die Schweizer Agenten über die Meldung setzen: «Die Ägypter verfügen über Quellen, welche die Existenz amerikanischer Geheimgefängnisse bestätigen.» Gemäss dem Schweizer Geheimdienst-Rapport berichten die Ägypter wörtlich: «Die Botschaft hat aus eigenen Quellen erfahren, dass tatsächlich 23 irakische und afghanische Bürger auf dem Stützpunkt Mihail Kogalniceanu in der Nähe der (rumänischen; Anm. d. Red.) Stadt Constanza am Schwarzen Meer verhört wurden. Ähnliche Verhörzentren gibt es in der Ukraine, im Kosovo, in Mazedonien und Bulgarien.» Weiter wird gemeldet, dass laut einem Zeitungsbericht die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch über Beweise verfüge, gemäss denen «am 21. und 22. September 2005 Gefangene mit amerikanischen Militärflugzeugen von der Basis Salt Pit in Kabul zum polnischen Stützpunkt Szymany und dem oben genannten rumänischen Stützpunkt transportiert worden sind». Explizit vermerken die Ägypter: «Trotz aller zitierten Tatsachen bestreiten die rumänischen Verantwortlichen weiterhin die Existenz geheimer Gefängnisse, in denen der amerikanische Geheimdienst Mitglieder von Al Kaida verhört. Die offiziellen Zurückweisungen der Rumänen wurden vom Sprecher der europäischen Abordnung positiv aufgenommen.»


Die Sensation
Erstmals bestätigt ein Staat, dass er von der Existenz von CIA-Geheimgefängnissen in Europa weiss

Der Fax des ägyptischen Aussenministers ist an Brisanz kaum zu überbieten: Ein Staat hat Kenntnisse von geheimen CIA-Gefängnissen auf europäischem Boden. Dem zugrunde liegen nicht sogenannte Open Sources (öffentlich zugängliche Quellen) wie Zeitungsartikel oder Berichte von Nichtregierungsorganisationen wie Human Rights Watch. Im vorliegenden Fall handelt es sich um «eigene Quellen», wie es in dem Fax heisst. Die Arbeit des ägyptischen Geheimdienstes wird von Experten, die namentlich nicht genannt sein wollen, als «hochprofessionell» eingeschätzt. Nachrichtendienstliche Erkenntnisse aus Kairo werden in der Branche der Schlapphüte generell als «absolut zuverlässig und glaubwürdig» bezeichnet. Der ägyptische Botschafter in Bern wollte sich auf Anfrage von SonntagsBlick nicht zu dem Faxverkehr äussern. Seinem Anliegen, ihm das Dokument auszuhändigen, entspricht die Redaktion nicht. Auf Nachfragen, ob er die Echtheit des Dokuments bestreite, wollte er sich nicht äussern.

Was die ganze Welt bisher nur vermutet, könnte durch die ägyptischen Quellen bestätigt werden: Die USA verschleppen, verstecken und verhören im Krieg gegen den Terror systematisch ihre Gefangenen. «Wir haben weder Flughäfen noch den Luftraum in Europa dazu genutzt, um Personen an Orte zu bringen, wo sie gefoltert wurden», sagte die US-Aussenministerin Condoleezza Rice (51) vor rund einem Monat beim Treffen der Nato-Aussenminister in Brüssel. Was sie nicht sagte: Dass es keine Gefängnisse oder keine Transporte gebe.


Die Schweiger
Armeechef Christophe Keckeis braucht 48 Stunden, bis er reagiert

Totaler Erklärungsnotstand herrscht jetzt auch im Bundeshaus – seit SonntagsBlick am Mittwoch die Armeespitze mit Fragen zu ihrem eigenen Schnüffelrapport konfrontierte. Wie kommt der Armeegeheimdienst dazu, einen befreundeten Staat zu bespitzeln? Wurden Verteidigungsminister Samuel Schmid (59), Aussenministerin Micheline Calmy-Rey (60) und Justizminister Christoph Blocher (65) über den bedeutsamen Inhalt der Meldung informiert? Erhielt die für die Geheimdienste zuständige Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) der Eidgenössischen Räte davon Kenntnis? Wurde das Papier an den US-Geheimdienst oder andere Staaten weitergeleitet, wie das bei Onyx-Meldungen üblich sein soll?

48 Stunden verstreichen, bis Armeechef Christophe Keckeis (60) reagiert. Die Fragen des SonntagsBlicks würden nicht beantwortet, teilte der Korpskommandant am Freitag kategorisch mit. Ausführlich informiert werde hingegen die GPDel. Deren Präsident, SVP-Ständerat Hans Hofmann (66, ZH), erklärt am Freitagnachmittag auf Anfrage, er habe keine Kenntnis von dem brisanten Vorgang. Gleichwohl wertet Hofmann die Enthüllung spontan als «Indiskretion sondergleichen».

Funkstille auch bei der Unabhängigen Kontrollinstanz (UKI) zur Überwachung der Funkaufklärung. Ihre Mitglieder – drei hochrangige Beamte aus Verteidigungs-, Justiz und Verkehrsministerium – müssen gemäss der Verordnung über die elektronische Kriegsführung sämtliche Funkaufklärungsaufträge prüfen. Bei ungenügender Rechtmässigkeit kann die Kontrollinstanz bei den für den jeweiligen Nachrichtendienst zuständigen Bundesräten Samuel Schmid (VBS) oder Christoph Blocher (Justiz- und Polizeidepartement, EJPD) den Auftragsstopp beantragen.

Wurde auch der Ägypten-Auftrag geprüft, möglicherweise sogar dessen Einstellung verlangt? Der UKI-Vorsitzende Professor Luzius Mader, Vizedirektor im Bundesamt für Justiz, lehnt die Beantwortung von Fragen ab: «Für die öffentliche Information über die Tätigkeit der UKI ist das VBS zuständig.» Aber auch dort heisst es: no comment. Schmid-Sprecher Jean-Blaise Defago: «Das VBS äussert sich zu den Fragen nicht.»

Die Folgen
VBS-Chef Samuel Schmid leitet eine administrative Untersuchung ein

Hektik, Nervosität, Verschweigen: Die Aufregung in Bern ist begreiflich. Höchstens drei bis vier Leute bekommen die Abhör-Reports im Original zu lesen. Wichtige Meldungen werden zu Geheimberichten verarbeitet, die Quellen gezielt vertuscht und verschleiert.

«Dass der Vorgang mit dem ägyptischen Fax jetzt publik wird, ist eine Katastrophe», sagt ein hochrangiger Geheimdienst-Insider. «Ich wäre damit schnurstracks zum damaligen Bundespräsidenten Samuel Schmid gegangen, der ja als VBS-Chef Vorsitzender des bundesrätlichen Sicherheitsausschusses ist.»

Ob und wann Schmid seine beiden Bundesratskollegen im Sicherheitsausschuss (SiA) informiert hat, wird wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Das VBS schweigt sich darüber aus, Calmy-Reys Aussenministerium sagt nichts dazu und auch das Justizministerium von Christoph Blocher blockt ab. EJPD-Sprecher Sascha Hardegger: «Wir nehmen dazu keine Stellung.»

Fest stehe als Einziges, schiebt VBS-Sprecher Defago nach, dass Bundesrat Schmid zur Indiskretion eine administrative Untersuchung einleiten werde, wie das Geheimpapier an die Öffentlichkeit gelangen konnte.


Die Ermittler
Was internationale Experten zu den Enthüllungen sagen

Darf eine Zeitung geheime Unterlagen über mögliche CIA-Gefängnisse publizieren? Auf diese Frage sagt der Uno-Sonderberichterstatter über die Folter, der Wiener Rechtsprofessor Manfred Nowak (55): «Keine Frage, natürlich. Da besteht ein öffentliches Interesse» (siehe Interview, Seite 7). «Das ist ein Scoop», sagt Dick Marty (61), Sonderermittler des Europarates in der CIA-Affäre und FDP-Ständerat. Unter dem Vorbehalt, dass es ihm nicht möglich ist, die Authentizität des Dokuments zu prüfen, bekennt er klipp und klar: «Es ist ein zusätzliches Indiz für etwas, das wir schon vermutet haben.» Die Wahrheit komme nun «stückweise heraus». Ex-Mafiajäger Marty, der seit zwei Monaten die CIA-Affäre untersucht, fordert die Regierungen auf: «Sagt in dieser Sache endlich die Wahrheit.»